Mittwoch, 4. Juli 2007

Zwei Hindernisse, die sich mir in den Weg stellten, als ich zu verkaufen anfing

Ich beginne diese Blog mit einer Erfahrung aus meiner Tätigkeit als Baseballspieler. Sie mögen denken, dies habe nichts mit Ver­kaufen zu tun. Ich bitte Sie aber, weiterzulesen...

Ich war in die Nationalliga einer bekannten Mannschaft auf­gerückt und kam mit den besten Spielern Amerikas in Kontakt. Während Jahren hatte ich davon geträumt, mit diesen berühm­ten Sportsleuten zusammenzukommen - und nun war es end­lich soweit! Alles kam mir vor wie ein Traum, und während zwei Jahren fühlte ich mich wie im siebenten Himmel.

Plötzlich und unerwartet wurde ich aus diesem Traum gerissen. Ich spielte in Chicago, warf den Ball, etwas knackte in meiner Schulter - und der Traum war ausgeträumt.

Noch gestern war ich ein bekannter Sportsheld. Heute eine Null. Eine Null mit einem Arm aus "Glas". Ein heimtückischer Unfall verwandelte mich in einer Sekunde von einem der ersten Spieler der Nationalliga in irgendeinen der vielen Arbeitsuchenden.

Ich erinnerte mich an die Worte eines alten Mannes, der mir einmal gesagt hatte: "Wenn du je arbeitslos wirst, dann packe die erste Arbeit, die sich dir bietet, auch wenn es Tellerwaschen ist, und dann schaue dich nach etwas Besserem um!"

Ich kehrte nach Philadelphia zurück, wo sich nichts als Schwie­rigkeiten zeigten; ich hatte keine Ausbildung, keine geschäftliche Erfahrung, kein Geld - und meine Miete war überfällig. Alles war eine einzige Tragödie.

Ich übernahm eine Stelle als Kassier einer Abzahlungsfirma für Möbel, und während zwei Jahren verdiente ich mein Brot mit dem Inkasso fälliger Raten, indem ich mit dem Fahrrad die Straßen Philadelphias abfuhr und die "bequemen wöchentlichen Raten" einkassierte. Diese Beschäftigung war weit entfernt vom Leben eines gefeierten Sportsmannes, und Applaus gab es dabei

Keinen …

Eines Tages, als ich die Straßen entlangradelte, rief jemand: "Hallo, Frank! Frank Bettger!" Ich blickte zurück und sah Charlie Müller, einen alten Freund aus meiner Baseballzeit. Ich schämte mich und wäre lieber auf- und .davongefahren, doch da Charlie wartete, stieg ich ab und ging zurück. Ich war über­rascht, wie gut er gekleidet war und wie gewandt er sich aus­drückte. Charlie hatte sich sehr zu seinem Vorteil verändert. Als ich ihn kannte, war er irgendein unbedeutender Baseball­spieler, der sich darum bemühte, in eine höhere Klasse aufzu­steigen.

"Frank", sagte er, "ich habe endlich eingesehen, daß mir das Zeug zu einem guten Spieler fehlt. Ich vergaß meine Baseball­träume und entschloss mich, etwas aus mir zu machen. Ich arbeite jetzt im Versicherungsgesellschaft.."

Was Charlie getan hattet sollte mir unmöglich sein? Während Tagen beschäftigte mich diese Frage.

Kurz darauf musste ich einen Kunden besuchen, bei dem vor einigen Tagen Möbel abgeliefert worden waren. Der Chauffeur hatte den Kunden nicht persönlich getroffen und konnte die An­zahlung deshalb nicht kassieren. Ich fuhr mit meinem Fahrrad. an die mir bekanntgegebene Adresse und erwartete einige Schwie­rigkeiten. Der Hausherr empfing mich aber sehr freundlich und lud mich eint das Wohnzimmer zu betreten.

"Sie ersparen mir einen Gang", sagte er, "ich wollte das Geld soeben persönlich überbringen. Hier ist es!" Mit diesen Worten übergab er mir den ganzen Betrag der Rechnung.

Ich bedankte mich und wir unterhielten uns noch während einiger Minuten. Er begleitete mich zur Türe, verabschiedete sich und ich bestieg mein Fahrrad. Im letzten Augenblick sagte er, er würde gerne noch etwas mit mir besprechen. Ich möge noch einmal hineinkommen.

Ich war neugierig und er bat mich Platz zu nehmen. "Sie sehen zu gut aus, um eine Arbeit wie diese auszuführen", sagte er. "Sind Sie verheiratet?" Ich nickte. "Kinder?" - "Einen kleinen Jungen" , sagte ich.

"Würden Sie mir sagen, was Sie jetzt verdienen?" fragte mich der Mann.

"18 Dollar die Woche", sagte ich.

Am nächsten Nachmittag traf ich ihn wieder in seinem Büro. Er war Vizedirektor der Filiale einer großen Versicherungs­gesellschaft, und ich wurde dem Direktor vorgestellt. Dieser war der größte Redner, den ich je in meinem Leben gehört habe.

Nach einer Stunde hatte er mim so begeistert, dass im nur dar­auf brannte, einen Anstellungsvertrag zu unterschreiben. Doch unermüdlich sprach er weiter, und nach einer weiteren Stunde stiegen mir leise Zweifel auf, ob im mim für diese Arbeit eignen würde. Es war Winter, und langsam wurde es dunkel draußen. Wir hatten die Unterredung um 2. Uhr begonnen, doch der Mann schien nicht daran zu denken, seinen Redefluss endlich abzu­brechen. Um 6 Uhr sprach er immer noch unermüdlich, und ich schwor mir, nie wieder in sein Büro zurückzukehren, wenn ich es einmal verlassen hätte.

Einige Tage später erinnerte ich mih daran, dass der Vorsitzende eines Baseballklubs, in dem ich einst gespielt hatte, Sekretär der Fidelity Mutual Lebensversicherungs-Gesellschaft war. Er hieß Charles G. Hodge, und ich entschloss mich, ihn um Rat zu fragen. Zwei Wochen später war ich angestellt.

An einem Montagmorgen zog ich meinen Sonntagsanzug an und verließ meine Wohnung ohne Fahrrad. Ich war Vertreter einer Lebensversicherung! Das Datum werde ich nie vergessen: es war der 15. Februar 1916... mein Geburtstag. Im war achtund­zwanzig Jahre alt.

Trotzdem fühlte ich mich nicht glücklich. Ich ängstigte mich und erwartete nichts Gutes. Meine einzige Hoffnung bestand darin, dass ich durch diese neue Tätigkeit mit anderen Geschäften in Berührung kam und vielleicht etwas finden könnte, was ich auch beherrschen würde; irgend etwas, womit ich meinen Lebens­unterhalt ohne Fahrrad verdienen konnte.

Gleim zu Beginn machte mir die Tatsache zu schaffen, dass ich nur eine Liste von 37 Namen zusammenstellen konnte: Leute, die ich kannte und die sich vielleicht eine Lebensversicherung leisten konnten. Ich war so lange von Philadelphia fort gewesen, dass ich viele Verbindungen und Kontakte verloren hatte, und nur wenige meiner Bekannten verdienten so viel, dass sie sich mehr ais lediglich eine Bestattungs-Versicherung erlauben konn­ten, wie dies bei mir der Fall war.

Ich ordnete die 37 Adressen nach geographischen Gesichts­punkten. Zuerst besuchte ich einen alten Freund namens Warren Moss, mit dem ich einmal zusammen die gleiche Schule besucht hatte. Er war inzwischen ein bekannter Architekt geworden, und ich fürchtete, er würde mich rasch abfertigen.

Es regnete Bindfäden, als ich die Haustüre zu seinem Büro betrat. Zwei andere Männer, die soeben aus dem Hause kamen, stießen mich zur Seite und spannten ihre Schirme auf, und vor mir stand mein Freund Warren Moss. Ich hatte ihn seit Jahren nicht mehr gesehen, und er muss meine innere Spannung gefühlt haben. Mit einem warmen Lächeln rief er: "Frank Bettger! Was in aller Welt tust du hier?"

"Ich verkaufe Lebensversicherungen", sagte ich und bemühte mich, natürlich und freundlich auszusehen. "Lebensversicherungen?" fragte er erstaunt, "und wie lange machst du das schon?"

"Ich habe eben begonnen. Du bist mein erster Versuch."

Er schaute mich an, als ob er mir nicht glauben würde. "Ralph", rief er jemandem zu. Es war Warrens jüngerer Bruder. "Erin­nerst du dich an Frank Bettger?" fragte Warren, "er ging mit uns zur Schule."

"Natürlich erinnere ich mich", sagte Ralph.

"Was glaubst du, dass Frank jetzt macht?" fragte Warren seinen Bruder.

"Keine Ahnung."

"Er verkauft Lebensversicherungen, und das ist sein erster Besuch. "

Auch Ralph machte ein verblüfftes Gesicht, und ich fragte: »Was ist denn so absonderlich an dieser Beschäftigung?"

»Hast du die beiden Männer gesehen, die soeben das Haus ver­lassen haben?" fragte Warren.

»Ja."

»Nun", sagte Warren lachend, »der eine ist der Vertreter der Provident Mutual, und der andere ist der Arzt, der Ralph für einen Abschluss von 10000 Dollar untersuchte. Wenn du nur einige Tage früher gekommen wärest, hättest du das Geschäft selber machen können. "

Ich muss ein ziemlich dummes Gesicht gemacht haben, und wäh­rend der ganzen Woche gelang es mir nicht, dieses Missgeschick zu vergessen.

Am Samstagnachmittag stand ich um 13.20 Uhr an der Ecke der Vine Street, enttäuscht, hungrig und mutlos. Einen Lunch konnte ich mir nicht leisten, und ich fühlte mich miserabel. Von meinen 37 Adressen hatte ich deren 36 besucht, und alles, was ich ge­erntet hatte, war Enttäuschung und Misserfolg. Einige meiner früheren Freunde waren ziemlich rücksichtslos gewesen, und ich fragte mich, warum ich gerade diese Arbeit gewählt hatte.

Auf meiner Liste war nur noch ein Name übrig. »Was nützt es schon, ihn auch noch aufzusuchen", dachte ich. »Es ist doch über­all dasselbe."

Doch eine innere Stimme flüsterte mir zu: »Er ist nur einige hundert Meter von hier. Vermutlich wird er gar nicht zu Hause sein; doch wenn du alle 37 besucht hast, wirst du wenigstens die Befriedigung haben, deine Pflicht getan zu haben, bevor du auf­gibst.“

In der Hoffnung, Harry möchte nicht zu Hause sein, suchte ich seine Adresse auf. Ich war erstaunt, sein Büro in einem gut aus­sehenden Hause anzutreffen. Die große Firmaaufsmrift lautete:


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HENRY SCHMIDT & BRO. P APIERW ARENFABRIKATION


Im blickte mich um und hoffte, das Büro möchte geschlossen sein. Es war aber offen, und ich sah, dass alle Angestellten das Büro verlassen hatten - und in diesem Augenblick kam Harry Schmidt selber auf mich zu.

Er erkannte mich sofort und sagte: "Hallo, Frank - was tust du hier?" Dabei schüttelten wir uns die Hände. "Ich wollte dich besuchen, Harry", sagte ich.

"Komm in mein Büro", sagte er und lud mich dort ein, Platz zu nehmen. "Was treibst du, Frank?"

"Im verkaufe Lebensversicherungen", sagte ich ziemlich klein­laut.

"Was du nicht sagst! Ich besitze mehrere Policen bei der Pro­vident Mutual. Das ist doch eine gute Gesellschaft, nicht wahr?" Ich kannte die Provident Mutual, wusste aber weiter nichts über sie, sagte jedoch: "Gewiss, es ist eine gute Versicherung."

"Schau dir das einmal an", sagte er, indem er den Kassenschrank öffnete und mir einige Policen überreichte. "Ich bin der Meinung, sie seien zu teuer. Was hältst du davon?"

Ich verstand noch nicht viel von Lebensversicherungen, doch immerhin hundert Prozent mehr als Harry Schmidt. Es handelte sich um zwei Policen a 1000 Dollar mit einer Laufzeit von 15 Jahren. Die jährlichen Raten beliefen sich auf 65 Dollar pro Police.

"Ist das nicht enorm viel?" fragte Harry.

"Ja", sagte ich, "diese Versicherungsart ist immer ziemlich teuer." "Für welchen Preis könntest du mich für 2000 Dollar ver­sichern?" fragte Harry.

Ich zog meinen Tarif aus der Tasche und sah, daß die Jahres­prämie bei einem Alter von 27 Jahren nur 34 Dollar per Tausend betrug. Ich sagte: "Für 68 Dollar, Harry."

Er zählte die 68 zu den 130 Dollar, die er bereits bezahlte, und sagte: "Gut, dann versichere mich noch für weitere 2000 Dollar."

Ich hatte meine erste Police abgeschlossen!

Harry hatte damals keine Ahnung, was das für mich bedeutete. Ich war fast zu aufgeregt, um die Anmeldung auszufüllen, und als mir Harry einen Check für eine Jahresprämie überreichte, hätte ich ihn am liebsten umarmt.

Das war vor ziemlich genau 37 Jahren. Die Police, die ich damals ausstellte, ist immer noch in Kraft - natürlich voll bezahlt. Im Laufe der Jahre habe ich Harry Schmidt noch mehrmals für viel höhere Beträge versichert, darunter 150000 Dollar auf sein Leben, nachdem er Präsident der Gesellschaft geworden war, doch kein Geschäft, das ich je abschloß, war für mich so wichtig, wie dieser erste Auftrag. Ich bekam neuen Mut und gewann das Vertrauen, um weiterzumachen.

Oft habe ich daran gedacht, dap ich vermutlich den Beruf auf­gegeben hätte, wenn ich an jenem Samstagnachmittag nicht noch den einzigen und letzten Besuch gemacht hätte.

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